Scholastiker
Die Scholastiker waren die ersten vier aus Milenas Gefolgschaft. Sie waren es, die Milena die Nachrichten der Menschen beim ersten Sendfest brachten, und sie wurden von ihr dazu bestimmt, ihre Lehren weiter zu verbreiten.
Dies ist eine der bekanntesten Heiligenerzählungen der vier:
Auf ihren Reisen kamen die vier in das Dorf Hohenfelde, gelegen an einem großen dunklen Forst, mit Feldern ausgebreitet in weiter Ebene.
Als sie in der Herberge saßen, und Trank und Speis gerade aufgetragen wurden, da hörten sie vor der Tür einen Tumult, und durch das Holz drang lautes Wehklagen wie von einem Kinde.
Marcus erhob sich und öffnete die Türe und suchte die Ursache für die Laute zu ergründen. Und vor der Türe, da war ein Mann, stattlich von Gestalt, doch gebrochen im Gesichte, und in seinen Armen hielt er einen Jungen und ein Mädchen, und allen strömten die Tränen über die Wangen. Marcus hob den Mann auf, und Veit nahm sich der Kinder an, und gab ihnen Naschwerk und Wasser, und endlich hielt der Fluss der Tränen lang genug an, dass der Mann ihre Geschichte erzählen konnte.
Das Weib des Mannes, die Mutter der Kinder, gebärde sich gar ungewöhnlich und sei ihm und den Kindern, und den anderen auf dem Hof der Familie, nicht mehr geheuer. Im Schlaf höre man zuweilen eine Männerstimme, wo doch die Frau lag, und alle Hühner wären gestorben, und die Eier faulig noch im Nest, und die Milch der Kühe sauer. Die Frau, sonst liebevolles Weib und fürsorgende Mutter, hätte alle drei weggestoßen, wolle keinen Arzt sehen, und den Priester hätte eine fremde Krankheit gepackt, als er nach der Unglücklichen sehe wollte. Und jeden Morgen sei die Frau voll Blut, als wenn einer sie quält mit scharfen Klingen.
Silvanus schüttelte den Kopf und sprach:
„Sie ist wirr. Ihr Geist ist benebelt und hält die Vernunft gefangen. Es ist wie von süßem Wein, nehmt kaltes Wasser und legt sie ins Bett, und der Anfall wird vergehen.“
Doch Anna legte ihm eine Hand auf den Arm, und sprach betrübt:
„Nein, ein Anfall ist es nicht. Bedenkt die Dauer! Bedenkt die Hühner und Kühe! Es muss mehr sein - ein böser Geist!“
Nun sah Marcus auf, und wog das Haupt, und sprach:
„Noch niemals in all den Jahren des Studiums habe ich von einem solchen Geist gehört. Der kranke Priester lässt mich denken, es handle sich um einen Dämon.“
Veit gab den Kinden einen Klaps, dass sie zu ihrem Vater liefen, und beugte sich vor, dass nur die anderen drei ihn hörten, und sprach:
„Oft umschattet war mein Haupt, bevor Milena mich berührte, und Anfälle kenne ich zur Genüge. Es ist keiner. Mein Verstand war offen für allerlei Einflüsterungen, und ich erinnere mich an Fratzen in der Nacht wie von einem Geist. Es ist keiner. Und meine Dämonen folgen mir noch immer - nur mein Glaube hält sie von meiner Seele fern. Es ist keiner.“
Und die anderen beugten sich vor, und sie hielten den Atem an, denn sie sahen die Jahrzehnte des Leids in Veits Augen, und lauschten seinen Worten. Veit sprach:
„Wenn es nur so wäre! Einfach ist solches Unheil zu bekämpfen, eine scharfe Waffe ist hiergegen der Glaube. Aber für dieses Übel braucht es mehr. Ein Teufel ist in das Weib eingefahren! Kein anderes Wesen genießt das Blut einer Unschuldigen so sehr.“
Und als er so sprach, da flackerten die Kerzen, und die Kinder begannen wieder zu weinen. Selbst die vier Heiligen waren erschrocken. Sie machten sich auf, das Unheil zu betrachten und den Kampf zu beginnen.
Im Gemach lag die Frau, gefesselt an das Bett mit starken Stricken. Und Anna trat zu ihr, und reinigte ihre Wunden, und wusch hinweg das viele Blut. Unzählige Schnitte fand sie, und einen jeden verband sie. Doch die Frau sah sie an wie ein Tier, nicht wie ein Mensch. Und Veit spendete ihr Trost, und Silvanus linderte ihre Schmerzen, und Marcus studierte die Bücher. Und er fand, was er suchte, und die vier berieten sich.
Danach gingen sie, und bereiteten einen Raum vor. Und sie schmückten ihn mit Ihrem Zeichen, und reinigten die Luft, und weihten den Boden in Seinem und Ihrem Namen, und befreiten den Raum von allen störenden Dingen. Und durch die Heiligkeit ihrer Zahl gelang das Werk gut.
Als alles bereit war, zerschnitten sie die Fesseln der Frau, und ließen sie in den Raum bringen, und legten sie nieder. Anna zog einen Dolch, der war gestellt in Seinen Dienst und in Ihren Dienst. Veit tröstete die Seele der Frau mit der Weisheit Milenas, Silvanus legte ihr die Hände auf, Marcus lehrte die anderen Zweifaltigen die Worte unserer Herrin.
Und die Menschen beteten voll Inbrunst, so dass der Raum erfüllt war von Milenas Gegenwart.
Da tat Anna fünf Stiche mit dem Dolch. Und das Weib schrie auf. Da tat Marcus fünf Stiche mit dem Dolch. Und das Blut des Weibes netzte den Boden. Da tat Silvanus fünf Stiche mit dem Dolch. Und das Weib wand sich in Qualen. Da tat Veit fünf Stiche mit dem Dolch. Und das Weib sprach, doch es war nicht ihre Stimme, und sie kam nicht aus ihrem Mund. Und der Teufel rief seinen Namen! Und er verhöhnte die Menschen, und spottete ihrer Angst, die zerbrechliche Hülle seiner Wirtin zu zerstören. Denn in der Tat war die Sorge der Vier groß gewesen, das Leben nicht aus der Frau weichen zu lassen.
Doch die Vier wankten nicht, und griffen alle zusammen den Dolch, und stießen ihn der Frau ins Herz, so dass ihre Augen brachen und das Leben aus ihr zu weichen begann. Und der Teufel schrie auf, und rief: „Auch wenn ihr sie tötet, so fahre ich in einen von euch!“ Doch die Heiligkeit des Raums und die Gebete der Zweifaltigen band den Teufel, und er wurde bloß übler Dunst, und sie fingen ihn in einem Krug, und brachten ihn hinaus. Und der Krug zerbrach, und der Teufel erstand, und einer kam und vernichtete ihn.
Die Frau aber wurde geheilt, und das Leben wich nicht von ihr, und sie erkannte ihren Mann und ihre Kinder, und alle priesen Ihn und priesen Sie.