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====== Eisenkerle im Einhornwald ======
Hoch geschätzter Doctor Flagrare,
ich hoffe, diese Zeilen finde Euch wohlauf. Ich schreibe sie nieder, um Euch Kenntnis zu geben von den Vorfällen im Einhornwald, deren Zeuge zu sein ich die Ehre hatte.
Wie im letzten Brief angedeutet, hatte ich mich aufgemacht, dem Ruf von Bruder Claudius zu folgen und den Elfen des Einhornwaldes Hilfe zu leisten. Dies vor Allem, da gerüchteweise der Quell der Bedrohung, der sich die Elfen ausgesetzt sahen, magischer Natur sei. Hier galt es also, einen schädlichen Magier auf frischer Tat zu ertappen und ihm das Handwerk zu legen.
Zusammen mit einigen weiteren Reisenden gelangte ich vor zwei Tagen des nachmittags am Lager an, das Bruder Claudius und Mater Lena vorbereiteten. In der Abendstunde, noch während wir Übrigen dem zur Hand gingen, ereilte uns ein Unheil: hinterrücks und ohne Vorwarnung überfielen uns etwa ein Dutzend Knechte der Einhornwalder Wache, und setzten uns ohne Grund und Rechtfertigung gefangen. Dies gänzlich unstatthafte Vorgehen, ebenso wie die weiteren Ereignisse bekräftigten alle schlechte Kunde, die man gemeinhin über den Truchseß des Einhornwaldes kolportiert. Weder seine Dekrete, noch die ungewaschenen Schlagetots, die er dingt, sie in’s Werk zu setzen, geziemen dem Truchseß eines Herzogtums. Ja, selbst einem Roßtäuscher sollten sie wohl die Schamesröte in’s Gesicht treiben.
Zu unserem großen Glück waren wir noch keine Stunde gefangen gesetzt, da fügte es sich, daß gleich mehrere Gesellschaften eintrafen, die sich Bruder Claudius‘ Zug anzuschließen gedachten: zwei Caroliter in Gestalt von Pater Godfrey und dem Herrn Karl Langbein, eine Schar des Herbergsritterordens und Führung Frau von Jasmunds, eine Abteilung der Ritter von Bumona, der Herr Ritter Arivarus, sowie ein bunt gemischter Haufen allerlei Volks vom Holzfäller über Soldknechte bis hin zu einer Halbelfe. Denen war es ein Leichtes, Kunos Truppen in die Flucht zu schlagen, und uns zu befreien.
Noch am nämlichen Abend setzte Bruder Claudius seine Feldhauptleute ein, als da waren Pater Godfrey, Ritter Arivarus, sowie Frau Komturin von Jasmund. Mir selbst wurde die ehrenvolle Aufgabe zu Teil, die anwesenden Gelehrten zu versammeln, auf das deren Wissen das Rätsel um das Verhängnis lösen möge, welches auf dem Einhornwald lastete.
Gerade waren die Pläne für den kommenden Tag gefasst, da ward die Dringlichkeit unseres Unterfangens grausam deutlich: die Eisenkerle, von denen wir bereits wussten, daß sie der Schlüssel zum Leid des Waldes sein mussten - Näheres zu jenen weiter unten - berannten das Lager gleich von zwei Seiten. Die Schar um Claudius focht tapfer, und die zahlreichen Heilkundigen vor Ort taten ihr Übriges, daß dieser Angriff sowie die zwei weiteren in dieser Nacht recht glimpflich abgingen. Doch war allen gegenwärtig, daß der Vorstoß in den Wald jetzt umso gefahrvoller sein musste, da doch die Eisenkerle nun also herumschweiften, und weitaus aktiver waren, als bis dato berichtet. Ich will nicht unerwähnt lassen, daß auch die Elfen des Einhornwaldes das Lager besuchten. Doch verharrten sie an dessen Rande, schienen uns zu mustern, und verschwanden ohne weiteres Wort wieder im Wald.
An dieser Stelle greife ich im Interesse der Verständlichkeit den Ereignissen vor und will darlegen, was die Dame und Herren Gelehrten über das Leiden des Waldes im Laufe des Tages in Erfahrung bringen konnten.
Der Schaden am Wald selbst entstand durch Apparaturen, die wir als Resinalextraktoren bezeichneten. Selbst auf magischem Wege erschaffen, nicht von menschlicher Hand zusammengefügt, wurden diese kastenförmigen Apparaturen an einem Baum befestigt und trieben eine Kanüle in dessen Stamm. Mittels dieser Kanüle wurde das zusammenhängende Systemum des Einhornwalds insgesamt angezapft, dessen Lebensessenz in die materielle Form eines zunächt dünnflüssigen Harzes destilliert und in eine große Phiole am Boden des Resinalextraktors geleitet. Dieses, einem Zeckenbefall nicht unähnliche Geschehen nötigte die befallenen Bäume, sich aus dem Geflecht des Waldes zu trennen, um diesen zu schützen, auch wenn sie dabei unweigerlich zu Grunde gingen.
Das so gewonnene essentielle Harz fand zunächst einmal Verwendung als animierendes Fluidum in den eingangs erwähnten Eisenkerlen. Bei denen handelte es sich um Konstrukte, die mittels einer Synthese verschiedener magischer Disziplinen zum Leben erweckt wurden: das formgebende Grundgerüst bildete ein menschlicher Kadaver. Ob dieser auf nekromantischem Wege animiert wurde, war nicht zweifelsfrei festzustellen. Der Kadaver wurde alchemisch mit einer metallenen Hülle überzogen, die ihm Stabilität sowie erkleckliche Widerständigkeit im Kampfe verlieh. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Konstrukte war diese Oberfläche kupfern. Wenige, deutlich gewandtere und stärkere von ihnen waren silbern umhüllt, und der Anführer oder Nexus dieser Konstrukte schließlich trug eine goldene Hülle. Bemerkenswerterweise waren einige der kupfernen Eisenkerle in der Lage, zauberische Effekte hervorzurufen, die silbernen wiederum fungierten als Hauptleute. Es ist eine wahre Schande, daß die magische Tüchtigkeit, die von Nöten war, alchemischer Mechanik, Golemistik, Nekromantie sowie arkane Fokaltransmission in diesem eindrucksvollen Werk zu vereinigen, schädlichen Zwecken diente. Es bleibt zu bemerken, daß die Eisenkerle, sobald sie mit Waffengewalt niedergestreckt und ihr animierendes Fluidum dadurch aufgebraucht war, unverzüglich ihren stofflichen Zusammenhang verloren und dahinschmolzen.
Sinn und Zweck dieser beiden Elemente war es, durch die Resinalextraktoren essenzielles Harz zu gewinnen, dieses durch die Eisenkerle einsammeln zu lassen und es schlussendlich zu einer bronzenen Stele tief im Wald zu bringen, die in Machart und Funtionsprinzipien den Resinalextraktoren sehr ähnlich war. Als wir die Stele fanden, war sie zunächst beschädigt und außer Funktion. Wie genau es dazu kam, bleibt unklar. Die wahrscheinlichste Erklärung postuliert eine katastrophale Fehlfunktion, die Bauteile des Mechanismus im Inneren der Stele über ein erkleckliches Stück Waldes verteilte. Unter großen Mühen gelang es den Gelehrten, den Mechanismus in Stand und in Gang zu setzen, woraufhin sich ihr Zweck offenbarte: die Stele war ein teleportatives Portal. Ein Stoßtrupp unter Bruder Claudius‘ Führung schritt hindurch, und berichteten schließlich von Urheber allen Übels. In einem unterirdischen Labor hatte ein geisteskranker Zauberkundiger all dies geschaffen, um mittels des essentiellen Harzes seine sieche Frau und ihr ungeborenes Kind in’s Leben zurück zu holen. Der Stoßtrupp setzte ihrem Elend ein verdientes Ende, und gelangte heil zurück in’s Lager.
All diese Zusammenhänge wären nicht offenkundig ohne das luzide Wirken der Gelehrten in Bruder Claudius‘ Schar, die ich Euch in aller gebotenen Kürze nennen möchte:
Bruder Parsifal von den Herbergsrittern, ein überaus geschickter und bewanderter Adept der alchemischen Kunst, ergründete maßgeblich die Natur des essentiellen Harzes, welches das Medium abgab, dem Wald die Lebenskraft zu rauben. Ebenso gaben seine Analysen Aufschluss über die Machart der Resinalextraktoren, die dem Wald ebendies essentielle Harz entzogen.
Wie Bruder Parsifal verlieh vor Allem der Ordensbruder Karl Langbein von den Carolitern meiner Ansicht Gewicht, daß systematische Erkenntnis von übernatürlichen Dingen auch in den Reihen der religiösen Orden seine Heimstatt hat, und wir uns deren Wohlwollen versichern sollten, auf daß diese den Schriften der Akademie nicht verschlossen bliebe. Bruder Karl nun erwies sich auf Grund von Stand und Verstand als unschätzbarer Mittler zwischen uns - bisweilen zu sehr in’s Theoretisieren versenkten - Gelehrten und dem handfesten Volk, dem schlussendlich unsere Einsicht im Streite wieder die Eisenkerle diente.
An letzter, doch keineswegs an geringster Stelle sollen die Dame Yokoshima und Meister Tian Shen genannt sein, reisende Gelehrte aus Ländern fern im Osten. Nicht zum ersten Mal sind sie mir auf meinen Reisen begegnet, und auf ein Neues gewann Siebenhafen an ihrem profunden Wissen und ihrer bisweilen fremdartigen Sicht- und Herangehensweise. Gerade die war es schließlich, die uns verstehen ließ, wie die Resinalextraktoren es vermochten, einem Parasiten gleich einzelne Bäume des Einhornwaldes anzuzapfen, dadurch das Systemum als Ganzes zu schwächen und den Wald schließlich zu zwingen, den befallenen Baum aufzugeben. Meister Tian Shen tat außerdem Großes, indem er uns magisch bewehrte, und mehr als einmal den Klauen der Eisenkerle entgehen ließ, während die Dame Yokoshima mittels einer interessanten Form der Kartendivination unserer Forschung Richtung und Leitung gab. Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr es in Betracht ziehen wolltet, Meister Tian Shen und der Dame Yokoshima eine akademische Lizenz auszustellen und sie als Freunde der Akademie und Zierde des Magierstandes auszuweisen.
Ich will Euch nicht ermüden mit der Schilderung en detail der Kampfhandlungen und Verrichtungen, in deren Verlauf wir am Folgetag all die oben ausgeführte Erkenntnis errangen, oftmals unter Einsatz von Leib und Leben. Es sei genug gesagt, wenn ich mir herauszustreichen erlaube, daß auch diese Fahrt erneut überdeutlich vor Auge führte, wozu Siebenhafener im Stande sind, wenn Adel, Magierstand, Kirche und Volk es gemeinsam angehen, ein jeder nach seiner Befähigung.
So empfingen wir alle schließlich am nächsten Morgen den Lohn der guten Tat: die Elfen des Einhornwaldes traten den Gefährten dieses Zuges einen Teil des Waldes zum Lehen ab, zu erkennen daran, daß er fürderhin den Jahreszeiten unterliege. Dies ist bezeugt durch Ulrich von Dobran höchstselbst, der uns kurz darauf mit kleinem Gefolge durch seinen Besuch ehrte. Im Interesse unseres Hauses habe ich mir erlaubt, meinen Anteil der Herberge zu stiften, die die Ordensleute an der Stätte des Lagers errichten wollen, gegen Gast- und Forschungsrecht im Wald für Mitglieder der Akademie auf unbestimmte Zeit.
Selbst der Truchseß des Einhornwaldes demonstriert Einvernehmlichkeit, obschon ich auf dessen Beteuerungen wenig gebe: hängt er doch sein Mäntelchen nach jedem Windhauch, der ihm im Augenblicke opportun scheint. Er zog seine haltlosen Anschuldigungen gegen Mater Lena und alle anderen Anwesenden zurück und erklärte sie für null und nichtig. Wohl tat er dies nicht persönlich, sondern schickte eine kriecherische Kreatur namens von Weinstein vor, an seiner Statt zu Rade zu kriechen. Nun, jedenfalls scheint er für’s Erste Ruhe zu geben.
So schließe ich meine Ausführungen zu den Geschehnissen im Einhornwald und verbleibe
Euer ergebener Diener,
//Sieghardt//